Urteile zum gesetzlichen Mindestlohn eröffnen Chancen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Zusammenfassung

Die Urteile ermöglichen Ihnen als Arbeitgeber, den Mindestlohn durch eine Kombination von Bruttolohn und Zuschlägen zu erreichen. Es fallen damit weniger Steuern und SV-Abgaben an und der Mindestlohnempfänger erhält mehr Netto ausbezahlt. Lesen Sie hier alle Details. In den Klammern finden Sie die entsprechenden Urteile (Stand April 22).

Mindestlohn und Zuschläge – das müssen Sie wissen


Die folgenden Erläuterungen sind sehr detailliert und für Ihren Steuerberater interessant.

Mindestlohn gilt für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde

§ 1 Abs. 2 MiLoG

Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn bezieht sich immer auf die Arbeitsstunde.

BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 19

Es ist also kein Durchschnitt oder Tageslohn.

BAG - 5 AZR 716/15 - Urteil vom 29. Juni 2016 - Rn. 27ff.

Auch für Bereitschaftszeit gilt der Mindestlohn.

Mindestlohn ist ein Differenzanspruch

Der Mindestlohn legt fest:

Das hat der Arbeitnehmer mindestens zu bekommen. Der gesetzliche Mindestlohn muss jedoch nicht im Arbeitsvertrag auftauchen.

BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 22, 34

Falls der Arbeitsvertrag nicht ausreicht, dann ist der Mindestlohnanspruch die Differenz, die noch fehlt, um den gesetzlichen Anspruch zu erfüllen.

BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 26

Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem jeweiligen Mindestlohn ergibt.

BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 25

Abrechnungsperiode für Mindestlohn ist höchstens der Kalendermonat. D.h. der Mindestlohnanspruch muss in jedem Monat für sich erfüllt sein. (Abrechnungsperiode maximal Kalendermonat ergibt sich für den Mindestlohnanspruch aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG)

Welche Zahlungen gelten als mindestlohnwirksam?

Nicht jede Zahlung an den Arbeitnehmer erfüllt gleichzeitig den Anspruch an den Mindestlohn. Anders ausgedrückt: Wenn Ihre Zahlungen nicht mindestlohnwirksam sind, müssen Sie diese zusätzlich zum Mindestlohn bezahlen.

Mindestlohnwirksam

sind nur Zahlungen, die folgende Bedingungen komplett erfüllen:

  • Entgeltzahlungen im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis (Geld gegen Arbeit) und
  • Bezug zu einer tatsächlichen Arbeitsleistung und
  • keine besondere gesetzliche Zweckbestimmung

 

Die folgenden Beispiele wurden vom Bundesarbeitsgericht als mindestlohnwirksam entschieden:

BAG Urteil vom 08.11.2017- 5 AZR 692/16

Immerda-Prämie, Prämie für Ordnung und Sauberkeit, Leergutprämie

BAG Urteil vom 11.10.2017- 5 AZR 621/16

Anwesenheitsprämie (pauschal pro Monat bzw. Quartal)

BAG Urteil vom 22.03.2017 - 5 AZR 424/16 - Rn. 38, 39; BAG Urteil vom 22.03.2017 - 5 AZR 666/15

Treueprämie pro Arbeitsstunde berechnet

BAG Urteil vom 25.04.2018 - 5 AZR 25/17

Vertretungsprämie

BAG Urteil vom 06.09.2017 - 5 AZR 317/16 -; BAG Urteil vom 21.12.2016 - 5 AZR 374/16 - Rn. 28

Leistungszulage

BAG Urteil vom 21.12.2016 - 5 AZR 374/16 - Rn. 26

Wechselschichtzulage

Wichtig dabei:
Im Prinzip kann jeder Arbeitgeber Zuschläge und Prämien benennen, wie er möchte. Ob diese mindestlohnwirksam sind, hängt von den oben genannten Bedingungen ab. Wenn Sie also ähnliche Prämien einführen wollen, achten Sie bitte darauf, dass diese die Bedingungen für die Mindestlohnwirksamkeit erfüllen. Die Entscheidungen des BAG gelten immer nur für den Einzelfall.

Welche Zahlungen gelten NICHT als mindestlohnwirksam?

Nicht mindestlohnwirksame Zahlungen können den Anspruch auf Mindestlohn nicht erfüllen.

1. Zahlungen, die keinen direkten Arbeitsleistungsbezug haben. (BAG Urteil vom 25.04.2018 – 5 AZR 25/17 Rn. 28)

BAG Urteil vom 16.04.2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 60f.

Vermögenswirksame Leistungen

BAG Urteil vom 20.09.2017 - 10 AZR 171/16 - Rn. 16, 17

Urlaubsgeld

BAG Urteil vom 20.09.2017 - 10 AZR 171/16 - Rn. 16

Entgeltfortzahlung an Feiertagen – nicht zu verwechseln mit Feiertagszuschlag!

2. Zahlungen, die einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegen (BAG Urteil vom 25. April 2018 – 5 AZR 25/17 Rn. 28)

BAG 25.05.2016 - 5 AZR 135/16 Rn. 32

zwingender Nachtzuschlag

3. Zahlungen, die an eine Bedingung geknüpft sind. Die Entgeltzahlung muss für AN frei und endgültig verfügbar sein. (BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 31)

Der Unterschied zwischen zwingenden Nachtzuschlägen und freiwilligen Nachtzuschlägen

§ 6 Abs. 5 ArbZG

Der zwingende Nachtzuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG muss gezahlt werden, wenn der Arbeitnehmer Nachtarbeit verrichtet ( = zwischen 23 und 6 Uhr mehr als 2 Stunden) und diese Nachtarbeit entweder normalerweise in Wechselschicht oder an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr erfolgt. (BAG Urteil vom 18.11.2015 – 5 AZR 761/13 Rn. 23)

BAG Urteil vom 25. April 2018 - 5 AZR 25/17 Rn. 39, 40

Zwingende Nachtzuschläge müssen sich immer mindestens auf den Mindestlohn beziehen.

BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 35f.

Andere Zuschläge (Feiertags- / Sonntags- / freiwilliger Nachtzuschlag) dürfen sich auf einen niedrigeren vertraglich vereinbarten Bruttolohn beziehen.


Wichtig dabei:

Zwingende Nachtzuschläge müssen immer “on top” berechnet werden. Sie sind nicht mindestlohnwirksam.

Fazit: Auswirkung der Urteile zu Mindestlohn und Zuschlägen

 

  • Im Arbeitsvertrag darf ein Bruttolohn stehen, der unterhalb der Mindestlohngrenze liegt. (vgl. BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 34) 
  • Sind im Arbeitsvertrag Zuschläge festgelegt, dürfen sich diese auf den (in diesem Falle niedrigeren) Bruttolohn beziehen. (BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 35f.)
  • Ausnahme: zwingende Nachtzuschläge beziehen sich immer mindestens auf den Mindestlohn. (BAG Urteil vom 25. April 2018 – 5 AZR 25/17 Rn. 39, 40)

Anders ausgedrückt:
Feiertags-, Sonntags- und freiwillige (!) Nachtzuschläge können genutzt werden, um den Mindestlohnanspruch zu erfüllen!
Dadurch lassen sich Lohnkosten einsparen und die Mindestlohnempfänger erhalten mehr Netto ausgezahlt.

Sonntagszuschläge BAG Urteil vom 24.05.2017 – 5 AZR 431/16 –
Feiertagszuschläge BAG Urteil vom 24.05.2017 – 5 AZR 431/16 –

nicht zwingende Nachtarbeitszuschläge, z.B. für Arbeit zwischen 20 und 23 Uhr (steuerfrei bis 25% nach § 3b (1) 1. EStG) BAG Urteil vom 06.12.2017 – 5 AZR 699/16 – Rn. 26

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